Gegen das Vergessen! Erinnern an die Bücherverbrennungen vor 87 Jahren

„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

Heinrich Heine, Almansor, Vers 243f.

Am 10. Mai 1933 verbrannten Studierende auf dem Münsteraner Schlossplatz und in 21 weiteren Hochschulstädten tausende von Büchern. Darunter befanden sich Werke von Bertolt Brecht, Mascha Kaléko, Erich Kästner, Rosa Luxemburg, Heinrich Mann, Karl Marx, Kurt Tucholsky und vielen weiteren Autor*innen. Ihre Bücher brannten, weil sie Jüd*innen, Marxist*innen, Pazifist*innen waren oder sich ihre Literatur auf andere Weise im Widerspruch zum reaktionären Gedankengut der Studierenden befand.

Auch heute sind Nationalismus, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit nicht aus unserer Gesellschaft verschwunden. In Gedenken an die Bücherverbrennungen vor 87 Jahren – am 10. Mai 1933 – organisieren wir deshalb Jahr für Jahr zusammen mit den Jusos Münster einen Bücherflohmarkt auf dem Schlossplatz und erinnern an die Bücherverbrennungen und an die historische Verantwortung von Hochschulen und Studierendenschaften. Der Bücherflohmarkt wurde in den letzten Jahren begleitet von Lesungen aus den Texten, die 1933 verbrannt wurden.

In diesem Jahr ist es uns aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich, den mittlerweile alljährlichen Bücherflohmarkt in seiner gewohnten Form zu organisieren.

Lesungen im Internet

Wir verlagern daher die Lesungen ins Internet. Die Texte, die sonst auf dem Schlossplatz gelesen werden, findet man nun auf Instagram und Facebook in der Story. Den ganzen 10. Mai über werden Mitglieder unserer Hochschulgruppe und der Jusos Münster dort Texte vortragen.

Bücher bestellen und verschenken

Die Werke, aus denen die Texte stammen, bieten wir in diesem Jahr über das unten stehende Formular zum Bestellen oder Verschenken an. Bis zum 15. Mai können Bestellungen zum Einkaufspreis inklusive einer kleinen Spende vorgenommen werden. Die Werke beziehen wir dann über die lokale und unabhängige Buchhandlung „Rosta“ in der Aegidiistraße. In den darauf folgenden Tagen bringen wir den Bestellenden oder den Beschenkten das Exemplar – wenn gewünscht mit einer Grußbotschaft – innerhalb des Münsteraner Stadtgebiets nachhause. Wir halten das Gedenken aufrecht und unterstützen den lokalen und unabhängigen Buchhandel in schwierigen Zeiten. Gleichzeitig wird den Beschenkten in Zeiten der Kontaktbeschränkungen etwas Aufmerksamkeit zuteil.

Die Spende, die neben dem Einkaufspreis geleistet wird, kommt dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA Münster) zuteil. Damit leisten wir Unterstützung für antifaschistisches Engagement und für das Aufrechterhalten des Erinnerns.

Die Werke

Aus diesen Werken werden wir vorlesen, diese Werke können über das untenstehende Formular zu den angegebenen Preisen (inklusive Spende) bestellt werden:

Erich Kästner – Fantasie für Übermorgen, aus „Lärm im Spiegel“, 13 €

Heutzutage ist Erich Kästner (* 23.02.1899 in Dresden † 29.07.1974 in München) in erster Linie für seine Kinderliteratur bekannt. Mit seinem 1929 veröffentlichten Lyrikband „Lärm im Spiegel“ stellt sich Kästner satirisch und unverkennbar deutlich gegen selbstverschuldete Unmündigkeit, Spießbürgertum, blinden Gehorsam und Militarismus. Auf dem Opernplatz in Berlin musste er selbst mit ansehen, wie seine Bücher dem Feuer übergeben wurden.

Bertha von Suttner – Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte, 18 €

Bertha von Suttner (* 09.06.1843 in Prag † 21.06.1914 in Wien) ist eine österreichische Pazifistin und wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In „Die Waffen nieder!“ schildert sie aus der Perspektive einer Frau mittleren Alters die Deutschen Einigungskriege in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Der Roman galt lange als das bedeutendste Werk der Antikriegsliteratur.

Kurt Tucholsky – Das große Lesebuch, 12 €

Kurt Tucholsky (* 09.01.1890 in Berlin † 21.12.1935 in Göteborg) war einer der bedeutendsten und scharfzüngigsten Journalisten und Schriftsteller der Weimarer Republik. Das Große Lesebuch bildet ihn als Literaten und viel bedeutender noch als zeitkritischen und politischen Satiriker ab, der nicht müde wurde, den Militarismus, die Verfilzungen der Justiz und den aufkommenden Nationalsozialismus anzuprangern. Die gelesene Schrift „Wir Negativen“ veröffentliche Tucholsky 1919 in der „Weltbühne“, einer deutschen Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, welche 1933 verboten wurde.

Der vorgetragene Text „Wir Negativen“ erschien in „Die Weltbühne“ am 13.03.1919 und ist nicht im Werk „Das große Lesebuch“ enthalten.

Franz Kafka: Vor dem Gesetz, aus: Erzählungen, 10 €

„kafkaesk“ – Franz Kafkas (* 03.06.1883 in Prag † 03.06.1924 in Kierling) Stil trägt einen eigenen Namen, seine Prosa und Erzählungen sind Schlüsseltexte der Moderne. Neben dem gelesenen „Vor dem Gesetz“ enthält das Reclam-Buch viele bedeutende Texte seiner gesamten Schaffenszeit, von früher Prosa, seinen bekanntesten Erzählungen „Das Urteil“, „Die Verwandlung“ oder „In der Strafkolonie“ sowie Texte aus dem Nachlass.

Mascha Kaleko – Das lyrische Stenogrammheft, 13 €

Mascha Kaleko (*07.061907 in Schidlow † 21.01.1975 in Zürich) gilt als weibliche Stimme der Neuen Sachlichkeit. Ihre selbstbezeichnete Gebrauchspoesie ist zugänglich, unverkrampft, vom Alltag für den Alltag und damit zugleich gegenwartsnah wie gefühlvoll. Kalékos literarischer Durchbruch gelingt im Jahr 1933 mit dem Gedichtband „Das lyrische Stenogrammheft“, welches nach dem Erscheinen im Januar bereits im Mai verbrannt wird. Die gelesene „Elegie für Steven“ verfasste Kaléko nach dem Tod ihres Sohnes 1968 als eines der letzten Werke.

Der vorgetragene Text „Elegie für Stieven“ ist nicht im Werk „Das lyrische Stenogrammheft“ enthalten.

Rose Ausländer: Verschiedene Gedichte aus dem Sammelband „Regenwörter“, 7 €

Rose Ausländer (*11.05.1901 in Czernowitz † 03.01.1988 in Düsseldorf) war eine deutsch- wie englischsprachige Lyrikerin, die von 1941 bis 1944, davon zuletzt ein Jahr in einem Kellerversteck, das Ghetto von Czernowitz überlebte. Ausgangspunkt ihrer Werke waren zunächst Alltagserfahrungen wie Liebe und Freundschaft, dann wurde das dichterische Wort selbst zum Ersatz für die erlittenen Verluste und Verfolgungserfahrungen. Der Titel „Regenwörter“ verrät bereits, wie Sprache Tropfen um Tropfen, in kleinen, punktgenauen Dosen eingesetzt wird.

Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, 12 €

Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque (* 22.06.1898 in Osnabrück † 25.11.1970 in Locarno) ist noch heute bekannt für seine pazifistisch geprägte Romane. Der 1928 erschienene und 1930 in Hollywood verfilmt Roman „Im Westen nichts Neues“ thematisiert die Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges aus der Sicht eines jungen Soldaten, welcher wie Remarque selbst an die Westfront eingezogen wird. Als „schädliches und unerwünschtes Schrifttum“ wurden Buch wie Film 1933 verboten.

Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen, 14 €

Bertolt Brecht (10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in Ost-Berlin) ist nicht nur einer der bekanntesten Dramatiker deutscher Sprache, sondern war auch bekennender Kommunist und Antifaschist. Als solcher musste er in die USA emigrieren. Nach dem Krieg führte es ihn in die DDR, wo er seine Arbeit am Theater fortsetzte. Aber auch Gedichte hat der gute Bertolt verfasst: An die Nachgeborenen etwa beschreibt nicht nur die Situation als Exilant, sondern nimmt auch politisch Stellung. Generell gibt es viele tolle Gedichte von Brecht (Empfehlung: Erinnerung an die Marie A.).

Bestellformular

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Hintergrund: Bücherverbrennung am 10. Mai 1933

Die öffentliche Bücherverbrennung war der traurige Höhepunkt einer Säuberungswelle an den deutschen Hochschulen im Rahmen der vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“. Diese wurde allerdings nicht, wie man denken könnte, vom Propagandaministerium des NS-Regimes organisiert, sondern von der Deutschen Studentenschaft, dem damaligen Dachverband der Allgemeinen Studierendenausschüsse unter Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). Es waren somit vor allem die Studierenden, welche die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 in 22 deutschen Universitätsstädten systematisch organisierten und durchführten. Hierdurch wurde die grausame Verfolgung von Gegner*innen des NS-Regimes und jüdischen, pazifistischen, marxistischen sowie kritischen Stimmen an den Hochschulen und in allen anderen Bereichen weiter vorangetrieben. Viele Autor*innen verloren durch Arbeits- und Publikationsverbote ihre Existenzgrundlage, mussten emigrieren oder wurden im KZ ermordet.